Repräsentatives Glasfenster der Klassischen Moderne, geschaffen für den Heiligenzyklus in St. Agatha in Merchingen b. Saarbrücken, von Clemens Holzmeister (1886-1983) erbaut
Berlin, Anton Wendling, 1929
Bezeichnet
Entstanden bei Puhl & Wagner und Gottfried Heinersdorff, Berlin
192,8 × 56,8 cm
Blanke und polychrome Hüttengläser und Überfangglas, besonders schön das Rosa, Schwarzlot, Blei, in originalem Holzrahmen
Bischof Lutwin steht vor einem hellen, kassettierten Fenster mit blauem Rahmen und blauen Querbändern. Er trägt rote Pontifikalkleidung (Mitra, Albe, Kasel und Pallium), hält in der rechten Hand den Bischofsstab und in der linken ein Kirchenmodell vor die Brust, das ihn als Gründer des Merchingen nahe gelegenen Klosters Mettlach (um 690) kennzeicht. Zu seinen Füßen sitzt sein Attribut, ein Adler. Von ihm berichtet die Legende, er habe Lutwin, als dieser noch Herzog von Lothringen war, während der Rast auf einer Jagd in den Wäldern bei Mettlach vor einem Sonnenstich bewahrt, indem er über dem Schlafenden schützend seine Flügel ausbreitete. Nach dem Erwachen erzählte der Knecht seinem Herrn davon, welcher dieses sogenannte "Adlerwunder" als Zeichen dafür deutete, an der Stelle ein Kloster zu errichten.
Das Fenster besticht durch die vielfältigen Kontrastwirkungen innerhalb einer einfachen, strengen Komposition. Helle und dunkle Partien, geometrische Strukturen und geschwungene Formen sind in wirkungsvollem Gegensatz nebeneinander gesetzt. Wie sein Lehrer Jan Thorn Prikker, ordnete Wendling die figürlichen Motive als farbiges Ornament in die Fläche, um durch die Auflösung der materiellen Gestalt ihre metaphysische Bedeutung herauszustellen. Wendlings künstlerische Bestrebungen, das Formenvokabular auf ein klares, symmetrisches Konstruktionsprinzip zu reduzieren, treten in dem Zyklus von Merchingen voll zutage. Insofern ist das Lutwin-Fenster exemplarisch für sein Werk.
Den Auftrag für die Fenster in St. Agatha dürfte Wendling vom Architekten Clemens Holzmeister selbst erhalten haben. Vermutlich sind sich die beiden in Düsseldorf begegnet, als Holzmeister dort zwischen 1928 und 1932 an der Akademie der bildenden Künste lehrte. Eine wohl nicht unbedeutende Rolle bei der Auftragsvergabe dürfte auch die Tatsache gespielt haben, daß Frau Wendling aus Merchingen stammte (freundliche Mitteilung von Herrn Theo Seiwert, Merchingen).
Ausstellungen
1930 »Kult und Form« im Alten Kunstgewerbemuseum Berlin, Prinz-Albrecht-Straße;
2001 Ausstellung »Farblicht – Kunst und Künstler im Wirkungskreis des Glasmalers Gottfried Heinersdorff (1883-1941)« im Kunst-Museum Ahlen, Edwin Scharff Museum Neu-Ulm und Clemens-Sels-Museum Neuss.
Bibliographie
Maria-Katharina Schulz, Glasmalerei der klassischen Moderne in Deutschland, Bern/New York/Paris 1987, S. 124 (Kurze Beschreibung des Auftrags); Farblicht – Kunst und Künstler im Wirkungskreis des Glasmalers Gottfried Heinersdorff (1883-1941), Hagen 2001, Farbabb. S. 50, 51f.
Zum Auftrag für St. Agatha in Merchingen s.a.: Anton Wendling, Facettenreiche Formstrenge, Katalog zur Ausstellung im Deutschen Glasmalereimuseum Linnich, 2009, S. 19
Quellen
Berlinische Galerie, Architektursammlung, Archiv der Glasmalerei- und Mosaikanstalten Puhl & Wagner und Gottfried Heinersdorff, Berlin (Neg.Nrn 1022-1026, um 1930).
Links
Berlinerische Galerie