Cesar Klein (1876-1954)
Gottfried Heinersdorff (1883-1941)

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Ozeanier - Allegorie auf den Erdteil Australien

Geschaffen für den Erdteil-Zyklus im Bruno-Paul-Saal des Grassi-Museums in Leipzig
von Cesar Klein, in den Vereinigten Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner und Gottfried Heinersdorff
Berlin, 1927

86,4 × 58,2 cm
Weisses, zum Teil milchiges Überfangglas, bemalt mit Schwarz-, Grau- und Rotlot sowie Silbergelb; tiefe runde und eingekerbte blanke Ausschliffe; Bleiruten

Dazu der Entwurf im Maßstab 1:5
16,9 × 12,1 cm

Beide Arbeiten aus dem Nachlass der Witwe Paula Klein

Dokumentation

In den Jahren 1925-1929 wurde in Leipzig das Grassi-Museum neu erbaut. Der Architekt, Möbeldesigner und Inneneinrichter Bruno Paul (1874-1968) gestaltete dort 1927 einen Empfangsraum, für den Cesar Klein fünf raumhohe Fenster mit einem harmonisch abwechslungsreichen Raster aus gläsernen Rechteckfeldern schuf. In diese Raster wurde jeweils eine kleine Scheibe mit der Allegorie eines Erdteils – Europa, Amerika, Afrika, Asien und Australien-Ozeanien – mittig eingesetzt. Die Verglasung wurde, ebenso wie die gleichzeitig entstandene von Josef Albers (1888-1976) im Treppenhaus des Museums, 1943 bei einem Luftangriff vernichtet. Lediglich zwei Fragmente aus den Figuren von Europa und Asien blieben erhalten (Grassi-Museum, Leipzig).
Die Scheibe mit dem Ozeanier wurde separat und den Werkstattgepflogenheiten entsprechend in zwei Exemplaren ausgeführt: ein Exemplar für den Künstler und eines für die Werkstatt. Dass die Wahl auf den Ozeanier fiel, könnte auf die besondere Eignung des Motivs auf internationalen Ausstellungen schliessen lassen, auf denen es die junge Kolonialmacht Deutschland bestens repräsentierte. Mit dem Erwerb von Deutsch-Neuguinea im Südpazifik (1899) und weiteren Inselgruppen im Mittelpazifik unter Kaiser Wilhelm II. war das wirtschaftliche und kulturelle Interesse Deutschlands auf Ozeanien gelenkt.

Die Darstellung zeigt das Brustbild eines Melanesiers im Dreiviertelprofil, der mit magischem Blick ins Weite schaut. Auffallend ist das auf die Kopfhaube und den Tragbandschild gemalte Auge, ein sogenanntes »Malangganmotiv«, dessen Symbolik in den Bereich von Totenfeiern und Totenritualen gehört. Für die Darstellung von Kleidung, Schmuck und Waffen orientierte sich Cesar Klein unmittelbar an Objekten aus der Völkerkunde-Sammlung des Grassi-Museums, wobei ozeanische Gegenstände überwiegen und lediglich der Bumerang auf Australien verweist. Die Farbigkeit des Glasgemäldes ist auf Schwarz, Weiß, Rotbraun und Grau reduziert. Schwarz galt in Melanesien als Farbe der kriegerischen Kraft, Weiß als Farbe der Ahnenwelt und des Totenreichs und Rotbraun als Signal- und Erdfarbe.

Die aquarellierte Zeichnung zeigt den ersten Entwurf des Motivs, welches sich bis zur ausgeführten Scheibe merklich veränderte. Während Haltung und Farbgebung des Dargestellten weitgehend beibehalten wurden, sind Veränderungen vor allem im Bildausschnitt sowie in den Ausstattungsstücken zu erkennen. Das Augensymbol auf der Scheibe hat Cesar Klein wohl erst in der Zeit zwischen Entwurf und Ausführung entdeckt.
Zum Zeitpunkt des Auftrags hatte Cesar Klein seine expressionistische und kubistische Phase längst hinter sich gelassen. Die Zeichnung zeigt rundere, weichere Linien. Der vertikal gesetzte Speer und die horizontal angeordneten Bleiruten geben dem Glasbild eine geometrische Gliederung, welche auf die künstlerische Beschäftigung mit dem Bauhaus verweist.

Literatur
Schulz, Maria-Katharina: Glasmalerei der klassischen Moderne in Deutschland; Frankfurt a.M., Bern, New York u.a. 1987 (Europäische Hochschulschriften. Publications Universitaires Européennes. European University Studies. Kunstgeschichte, Reihe 28, Bd. 74), S. 58-64

Dalinghaus, Ruth Irmgard: Cesar Klein; in: Wände aus farbigem Glas. Das Archiv der Vereinigten Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner, Gottfried Heinersdorff; Ausst.-Kat. der Berlinischen Galerie; Redaktion Helmut Geisert und Elisabeth Moortgat, Berlin, 1989, S. 79-93.

125 Jahre Museum für Kunsthandwerk Leipzig, Grassi-Museum; hrsg. vom Museum für Kunsthandwerk Leipzig, Grassi-Museum; Teil 2,1. Die Museumschronik von den Anfängen bis zum Jahr 1929; aufbereitet von Olaf Thormann unter Mitarbeit von Ute Camphausen, Eva Maria Hoyer, Eberhard Patzig, Uta Petter u. a., Leipzig 2003, S. 192f. und S. 223.

Ozeanien. 18. bis 20. Jahrhundert; Geschichte und Gesellschaft; hrsg. von Hermann Mückler u.a.; Wien 2009, passim, mit Abbn.

Die Scheibe war 2011 in der Ausstellung »Glasmalerei der Moderne – Faszination
Farbe im Gegenlicht«, im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe vom 9. Juli-9. Oktober 2011, und ist publiziert im gleichnamigen Katalog, Kat. Nr. 17 a-b, S. 148f.

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