Fritz Adolf Becker (1873-nach 1933)

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Goldmosaikfenster mit Christuskopf

Berlin, Fritz Adolf Becker, 1907
Ausgeführt in der Deutschen Glasmosaik-Gesellschaft Puhl & Wagner, Berlin

Bestimmt für die von Theodor Astfalck (1852-1910) erbaute Passionskirche in Berlin-Kreuzberg

103,4 × 105,5 cm
Gold- und Silbersmalten, rotes Überfangglas, blaues Glas für die Augen, Schwarzlot, Silbergelb, Blei

Dokumentation

Die Besonderheit des Fensters beruht auf der Verwendung transparenter Gold- und Silbersmalten, auf die die Berliner Firma Puhl & Wagner 1905 ein Reichspatent erhalten hatte. Die Smalten wurden in der werkstatteigenen Glashütte hergestellt. Gottfried Heinersdorff äußerte sich 1914 begeistert über diese »bedeutsame Erfindung«, bei der hauchdünnes Blattgold zwischen zwei Gläser geschmolzen wurde. So entstand ein Glas mit Tages- und Nachteffekt: Bei Durchlicht unterscheiden sich die Smalten kaum von Antikgläsern, die nach Eintritt der Dämmerung ihre Leuchtkraft verlieren und die Fensteröffnungen als schwarze Flächen zeigen. Die Smalten hingegen glänzen metallisch bei auffallendem Kunst- oder Kerzenlicht und tauchen so die Räume bei Nacht in eine festliche, märchenhafte Stimmungswelt, die an die Wandmosaiken in byzantinischen Kirchen erinnert. Das kleinteilige, graphisch aufgefasste Bleinetz unterstützt den Mosaikcharakter des Fensters.

Die meisten Goldmosaikfenster wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Bekannt ist lediglich ein weiteres Fenster von Fritz Adolf Becker mit der Darstellung des Berliner Bären, das für die Grosse Berliner Kunstausstellung 1907 in Berlin entstand (heute im Smith Museum of Stained Glass Windows, Chicago). Auch das Glashaus von Bruno Taut auf der Kölner Werkbundausstellung 1914 war mit Smalten von Puhl & Wagner ausgestattet. Aus einem im Firmenarchiv erhaltenen Musterbuch geht hervor, dass das »Goldmosaikfenster mit Christuskopf« als Mittelstück der romanischen Rose für die 1905 bis 1907 von Theodor Astfalck erbaute Passionskirche in Berlin-Kreuzberg entstand.

Motivisch ist die Darstellung mit Bezügen zur altchristlichen Ikonographie förmlich überladen. Der streng frontale Christuskopf steht als „vera icon“ in byzantinischer Tradition. Die vier Strahlenbündel im Nimbus symbolisieren sowohl den vom Heiligen Geist erleuchteten Gottessohn als auch das Kreuz. Der Achtpass um den Nimbus könnte die Unendlichkeit versinnbildlichen, die vier Sterne die vier Evangelisten, der alles umfassende Kreis die Vollendung der Schöpfung.

Die Zusammenarbeit Fritz Adolf Beckers mit der Werkstatt Puhl & Wagner dürfte mit dem Beginn seiner Lehrtätigkeit am Berliner Kunstgewerbemuseum um 1905 zusammenfallen. Becker entwarf Glasfenster und Mosaiken für Kirchen, Banken, Cafés und Kaufhäuser, auch in Amerika. Nach 1933 verliert sich seine Spur.

Literatur
Gottfried Heinersdorff, Die Glasmalerei, ihre Technik und ihre Geschichte, Berlin 1914, S. 31-34, Zitat S. 34;
​Wände aus Farbigem Glas. Das Archiv der Vereinigten Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner und Gottfried Heinersdorff, Ausstellungskatalog Berlinische Galerie 1989, S. 26, 35 Anm. 18 (zur Technik), S. 154 (zu F.A. Becker).

Für Hinweise zur Ikonographie sei Herrn Dr. Dietmar Lüdke, Karlsruhe, herzlich gedankt - für Hinweise zur Provenienz Frank Schütz, Berlinische Galerie, Archiv Puhl & Wagner und Gottfried Heinersdorff.

Der Text ist publiziert in:
Glasmalerei der Moderne, Faszination Farbe im Gegenlicht
Bearbeitet von Jutta Dresch
Katalog zur Sonderausstellung im
Badischen Landesmuseum Karlsruhe
9. Juli bis 9. Oktober 2011
Karlsruhe 2011, Kat. 7, S. 137f.

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Biografie Fritz Adolf Becker

Goldmosaik, Bleiverglasung, Glasfenster